Gießener Anzeiger vom 23.9.2017 / Heiner Schultz
Wo Vergangenheit Gegenwart ist
FOTOAUSSTELLUNG Gießener Multitalent Christoph Handrack zeigt Bilder von einer Kubareise
KLEINLINDEN (hsch). Es gibt mal wieder neue Ansichten in der Praxis Greilich in Kleinlinden. Christoph Handracks Fotografien nehmen den Betrachter mit auf eine Reise nach Kuba. Der Gießener zeigt unter anderem Bilder der wunderbaren, monströsen Straßenkreuzer dort, er schaute jedoch auch aufs nicht Offensichtliche, auf die Menschen.
Christoph Handrack, Jahrgang 1952, stammt aus Darmstadt. Der Facharzt für Psychiatrie studierte in Gießen Medizin und eröffnete vor 20 Jahren eine Praxis. Er fotografiert aus Leidenschaft. „Ich mag die Straßenkreuzer nicht, es war nur ein ästhetisches Bedürfnis, sie zu fotografieren“, sagt er. Ansonsten hat er gerade in Polen verlassene und verfallende Schlösser fotografiert, „ehemalige deutsche Herrensitze“. Darüber hinaus ist Handrack beim „Photopainting“ angelangt, einer Technik, bei der man durch Bewegung der Kamera Unschärfe und malereiähnliche Effekt oder Unschärfen ins Bild einfügt. Damit nicht genug, singt er und spielt Klavier und Orgel bei der Band „Bluesdoctor„.
Ein schöpferischer Mensch also, erkannte auch Laudator und Grafikdesigner Hans-Michael Kirstein. Er sah „exzellente Motive aus einer Welt, die uns bekannt scheint, Aspekte von Sozialrealismus und ganz genial das eingefangen, was man Alltag nennt: Arbeit, Spiel und deftige Damen.“ Die Autos seien „Teil einer anderen Zeit“, sagte Kirstein, „einer Welt, die noch miteinander umgeht.“
Und tatsächlich warf Handrack einen Blick in die Vergangenheit, die in Kuba augenscheinlich noch die Gegenwart ist: verfallende Häuser, rostende Autos und Menschen, die unter einfachsten rückständigen Verhältnissen wohnen und leben. Dabei gelingt ihm der Blick aufs Wesenliche: Die Gesichter der Menschen zeigt Handrack mit einer Präzision im Detail und Ausdruck, die zuweilen professionell zu nennen ist; das Bild eines Mannes, der sich eine Zigarre anzündet, könnte auch im Auftrag der Tabakindustrie entstanden sein, es ist von geradezu wuchtiger Prägnanz und formal wie technisch vollkommen. Es ist nicht das einzige solche Bild, Handrack arbeitet häufig mit größter Sorgfalt bis ins kleinste Detail der Komposition, er schaut eben immer genau hin.
Bis Anfang Januar in der Praxis Greilich in Kleinlinden, Waldweide 5, zu den üblichen Sprechzeiten.
Gießener Anzeiger, Presse vom 23.9.2017, Heiner Schultz